Grenzen Er-Fahren

Mittwoch, den 24. August 2011 um 00:00 Uhr Sabine Beer
Drucken

31. Juli 2011 – 24. August 2011

Denav – Kizil Art Pass

Total Tajikistan 1307 km

2011-09-09_Tajikistan-online_def

An den Grenzübergangen finde ich es immer wieder lustig, wenn sie nach der Nationalität fragen. "Das steht doch in meinem Pass, denn du in der Hand hältst." Denke ich jeweils etwas erstaunt... Und es ist auch nicht so, dass ich die einzige Schweizerin auf Reisen bin.  Andere Reisende fragen manchmal, ob eigentlich in der Schweiz noch jemand arbeitet, da so viele Schweizer unterwegs sind.

Tajikistan ist das ärmste der Stan Länder. Dies sieht man jedoch in Duschanbe nicht. Die Stadt sieht ziemlich modern und aufpoliert aus. Wir schlafen drei Nächte im Adventure In, im Garten. Dort treffe ich auch zum ersten mal eine alleine reisende Radlerin an. Athena aus Neuseeland fährt bereits seit einem Jahr durch Asien und jetzt Richtung Europa. Sie  wartet gerade auf ihr Iran Visa. Ich hoffe sie kommt mich dann in der Schweiz besuchen.

Es gibt viel zu tun in Duschanbe: Neue Felge suchen (erfolglos), Kirgistan Visa, GBAO Permit für den Pamir, Wäsche waschen, Packet verschicken und ganz viel Vorräte für die Strecke bis Khorog einkaufen. Auf der Suche nach der Post fragen wir einen Polizisten nach dem Weg, er fragt uns nach dem Pass, dieser ist aber auf dem OVIR-Büro, da sagt er ganz kleinlaut: "Money, money, money". Wir können uns das Lachen nicht verkneifen und fahren kopfschüttelnd davon.

Da meine Begleiter/innen bereits bemerkt haben, dass ich Bergauf etwas langsam bin, schlagen sie mir vor, dass sie das Essen transportieren. Da bin ich natürlich sehr froh!

Wieder geht eine Seuche um, mich erwischt es am Tag der Abfahrt. Bereits nach 30km brauche ich eine lange Pause. In Duschanbe haben wir eine deutsche Frau angetroffen, die in einer NGO arbeitet. Sie hat uns ein Medikament empfohlen, dass bei ihr gegen alles hilft. So haben wir dieses Medikament gekauft und ich probiere es nun aus. Die Packungsbeilage können wir leider nicht lesen. Eine Frau spricht etwas Englisch, sie liest die Packungsbeilage und sagt, man müsse alle vier Tabletten auf einmal einnehmen... Das machen ich und später Ian auch. Aber die Wirkung lässt auf sich warten. Später erhalten wir dann auch eine andere Übersetzung für die Einnahme der vier Pillen (ohne Kommentar).


Dank Antibiotikum geht es mir bald wieder besser. Nicht aber Ian, er muss über den ersten grossen Pass mit einem Lastwagen fahren. Er ist wirklich froh, dass der Fahrer Moslem ist und immer wieder Pausen macht zum Beten. "You pray, I spray" so lautet der Titel von Ians nächstem Bericht.

Wir treffen Roland aus Deutschland an. Er ist zurückgefahren, weil sie ihren Wassersack verloren haben. Sie sind zu dritt in Duschanbe gestartet. Haben bereits Durchfall, deshalb hat einer Autostopp gemacht. Leider hat dieser das Zelt und den Kocher dabei... was sie erst nach einer Weile entdeckt haben. Diese Jungs haben etwas Pech, und nicht zu viel Essen dabei!

Der Pass geht auf 3252 müM, die Strasse ist nicht zu steil aber ohne Asphalt. Die Lastwagenfahrer behandeln uns respektvoll auch wenn sie viel Staub aufwirbeln. Ich habe Respekt vor den Fahrern, finde es eine unglaubliche Leistung mit den grossen Lastwagen auf dieser Piste zu fahren. Alle Autos die uns überholen sind 4x4, OK, es gibt auch Ausnahmen...

Die Abfahrt war eine echte Herausforderung, ich habe von meinem Bike geträumt, dies hätte Spass gemacht. Der Gedanke an meine Felge lässt mich den Berg herunter kriechen... Die Einfahrt nach Kala-i-Kumb war toll. Die Strasse war asphaltiert und folgte einem türkisfarbenen Fluss, welcher im Dorf in den Panj fliesst. Der Panj ist der Grenzfluss zu Afghanistan, wir werden diesem nun mehr als eine Woche folgen. Ian wartet auf uns und bringt uns in sein Hostel. Er hat den dritten Deutschen gesehen. Dieser ist aber ohne auf seine Freunde zu warten weiter gefahren...

Bevor es am nächsten Tag inkl. Ian weitergeht, kaufen wir noch Gemüse ein. Wir beobachten, wie Kinder aus den Wassergräben am Strassenrand trinken. Was machen all die Entwicklungsorganisationen in Tajikistan?

Neben dem braunen Panj geht die Strasse auf und ab, die Kinder baden im strömenden Fluss. Fahren wir durch kleine Dörfer, begegnen uns die Kinder sehr fröhlich und freundlich, sie tragen farbige Kleider und verkaufen Früchte oder getrocknete Maulbeeren. Das Tal ist wie eine Schlucht, steile Felswände auf beiden Seiten, kein Platz zum Campieren. Nicht selten hat es auch Warnschilder wegen Landminen. Da überlegt man sich zweimal, wo man Pinkelpause machen will. So übernachten wir in diesem Tal meistens in Dörfern oder kurz davor. Das Wasser vom Panj können wir nicht zum Kochen und filtern benutzen aber die Zuflüsse sind meist klar.


Immer wider halten wir an um Fotos von Afghanistan zu machen. Die Szenerie ist faszinierend und irgendwie unreal. Es ist wie durch ein Museum zu fahren. Die Dörfer (Tajik-Seite) erscheinen uns in der Steinlandschaft wie kleine, grüne Oasen. Meistens hat es auch kleine Läden, die vor allem Bonbons und Biskuits verkaufen. Wir fragen uns oft, von was sich die Leute hier ernähren. Brot machen wohl alle selber, kaufen kann man es nicht. Deshalb haben wir unsere Haferflocken Vorräte dabei. Was mich aber fasziniert, ist dass wir in einem dieser Läden eine neue Sonnenbrille für Ian, ein Hut für Tim und ein Tagebuch für Jeremie finden... Erstaunt bin ich darüber, dass Snickers und Mars weiter verbreitet sind als Coca-Cola. Wir trinken RCQ-Cola, schmeckt toll!

Was wir sehr geniessen sind die ersten Wolken am Himmel, lange ist es her seit wir Wolken gesehen haben. Auch die Temperaturen sind etwas angenehmer, so können wir den ganzen Tag fahren.

In Afghanistan hat es keine Strassen, welche die Dörfer verbinden, es sind nur Pfade. Die Leute transportieren das Heu auf Eseln oder auf dem Rücken. Oft sehen wir die Afghanen in ihren langen Gewändern auf dem Pfad marschieren. Ca. nach 10 Tagen sehen wir in Afghanistan das erste Auto. Einmal beim Picknick am Fluss erhalte ich ein SMS von meiner Schwester beim lesen erschrecke ich zweimal. Es gibt eine laute  Explosion auf der anderen Seite des Flusses, wir schauen uns erschrocken an. Finden aber schnell heraus, dass die Afghanen unter gefährlichen Bedingungen eine neue Strasse bauen und den Felsen mit Dynamit sprengen. Das wiederholt sich dann noch ein paar mal. Im SMS meiner Schwester stand, dass sie Zwillinge erwartet, da bin ich das zweite mal in der selben Sekunde erschrocken. So wird es mir sicher nicht langweilig, wenn ich zurück in der Schweiz bin.

Der Wind ist ständiger Begleiter. Zum Glück haben wir ihn meistens im Rücken. Christian aus dem Tessin kommt uns entgegen, er ist seit vier Jahren mit dem Velo unterwegs. Hat vor einiger Zeit auch Nick und Nicole sowie Iris und Regula angetroffen. In Tajikistan treffen wir beinahe täglich andere Radfahrer oder Motorradfahrer.

Die Tajiken sind sehr freundlich, lassen uns aber meist in Ruhe. Fährt man durch ein Dorf, ertönt es aus allen Ecken hakuda, hakuda = von wo? Oft rennen uns die Kinder nach oder klatschen unsere Hände ab. Das Tal wird mir langsam zu eng, ich freue mich auf einen Ruhetag in Khorog, meine Begleiter scheinen nicht gleicher Meinung zu sein. Wir erreichen die "Stadt" jedoch bereits vor dem Mittag, so machen wir uns nach dem essen von frittierten Teigtaschen mit Kartoffelfühlung, einen gemütlichen Nachmittag. Die Räder brauchen etwas Pflege, Kette wechseln und ein paar Schrauben nachziehen oder ersetzen. Die Holper-Strassen haben wohl auch in meinem Gehirn bereits ein paar Schrauben gelockert.... (-;


Auch am nächsten Morgen nehmen wir es noch gemütlich und kaufen wieder Vorräte ein. Nach langem suchen finden wir sogar Haferflocken. Der Besuch im Internetkafee, zieht sich bis am Mittag hin.

Der eigentliche Pamirhighway geht nun Richtung Osten, wir fahren jedoch weiter in den Süden durch das Whakan – Tal. Die Landschaft ist wunderschön und offener. Nach ca. 30 km biegen wir Richtung Garm-chashma ab. Dort gibt es eine Schwefelquelle und ein Therapiebad. Hier werden wir nun unseren Ruhetag einlegen. Am Abend kochen wir im Zimmer von Jeremie und Ian. Dummerweise schaut der Besitzer vorbei, wir denken dass wir einen grossen Rüffel erhalten. Alles was er sagt ist, wir sollen etwas aufpassen. Jeremie isst nicht viel (sehr untypisch), er legt sich nach dem Essen auf sein Bett, erhebt sich aber nach kurzem ruckartig, ruft "shit" und springt mit der Hand vor dem Mund aus dem Zimmer, durch den langen Gang zum nächsten Blumenbeet. Nach dieser Aktion erschrecken wir jedes Mal, wenn Jeremie während oder nach dem essen ruckartige Bewegungen oder komische Geräusche macht.

Ich gehe am Abend mit Tine ins Frauenbad, es ist unter freiem Himmel, der Vollmond die einzige Lichtquelle. Entspannend.

Am nächsten Tag finden wir kurz nach dem Picknick Stopp eine natürliche heisse Quelle. Die Temperatur ist perfekt, wir geniessen die Aussicht auf die Schneebedeckten Berggipfel.

Jeremie kauft bei jeder Gelegenheit Eier für sein Frühstück. So kann es sein, dass er Eier über die holprigsten Pisten und Pässe transportiert. Nicht immer erfolgreich. Der Versuch sie in der Lenkertasche zu transportieren ist auch nicht geglückt. Falls er sie nicht beim Transport zerstört, sitzt er beim Frühstück drauf. Es ist Aprikosen Saison, die Früchte sind einfach lecker. Ansonsten sind Gemüse und Früchte Mangelwaren. Die Leute verwenden auch die Aprikosen Steine, diese werden geknackt und die Kerne gegessen. Ein schlechtes gewissen haben wir jedes mal, wenn wir irgendwo Abfall zurücklassen. Bei einem Homestay beobachten wir, wie sie unsere Abfalltüte in Nachbars Garten schmeissen und die Vodkaflasche an der Mauer zerschlagen.

Die Strassen sind zum Teil schwierig befahrbar, viel loser Schotter oder Sand. In letzterem ist das Fahren beinahe unmöglich und schieben ist angesagt. Nach Langar geht es dann richtig los. Steiler Anstieg auf dieser Piste, beinahe unmöglich. Die Kinder aus dem Dorf kennen jedoch die Mühen der Radler und schieben uns in einem unglaublichen Tempo die Strasse hoch. Ohne diese Hilfe hätte ich wohl für diese Strecke10mal so lange benötigt. Nun wollen sie money, money. Nein keine Bonbons, Geld. OK, dass ist mir einen Franken wert, sie können sich dann selber Süssigkeiten kaufen. An diesem Tag haben wir nur 30 km geschafft. Die Luft wird langsam dünn (3600müM), die Aussicht ist wunderschön, sehen Berge von Pakistan. Das Gewicht meines Fahrrades und die dünne Luft machen mir sehr zu schaffen. In manchen Momenten sind die Beine und Arme leer, das Atmen ist mehr ein Keuchen und der Kopf ist trümmlig. Gerne würde ich mein Material mit jemandem Teilen. Zelt, Küche, Apotheke, Reparaturzeug, Reiseführer, Netbook...alles bräuchte man zu zweit nur einmal! Bis zu diesem Moment hatte ich nie mit meinem Gepäck gehadert.


Wir übernachten auf 4000müM kurz vor dem nächsten Pass. Die Nächte werden empfindlich frisch. Der Wind bereitet uns kalte Abende. Ich finde dies ist die passende Gelegenheit, als Überraschung mein Instant Schokoladenmousse, dass ich vor einigen Jahren zum Geburtstag erhalten habe, zu servieren. Habe bei dieser Gelegenheit mein Geburtstag nachgefeiert.

Aus wenig Zutaten kochen wir unglaubliche Menus, Ian überrascht uns immer wieder mit neuen Gerichten. Ian, Tine und Ich sind Vegis, das macht Spass! Mit den kleinen Pfannen für fünf Leute zu kochen ist aber eine echte Herausforderung!

Nun kommen wir wieder auf die Hauptroute, dass heisst zurück auf Asphalt! Bei mir kündigt sich eine Blasenentzündung an, genau an dem Tag, wo wir knapp bei Wasser sind. So halte ich alle 30 min. zum Pinkeln an.... Diese Region wird von Kirgisen bewohnt, Yaks und Yurten gehören nun zum Landschaftsbild. Auch Murmeli kommen uns nun zu Gesicht. Wir machen viele Fotos. Ian ist der Leidenschafstliche Fotograph, sein Tag ist gut, wenn das Licht gut ist!

Eine Feststellung die ich mache, ist dass Schokoladensucht, eine sehr schwierige Sucht ist. Vodka und Zigaretten findet man überall, bei Schokolade sieht das schon schwieriger aus. Manchmal leide ich...und frustrierend ist dann, wenn ein Pack Zigarette oder eine Flasche Vodka weniger als ein Bounty kosten! Sicher ist, dass ich zurück in der Schweiz zunehmen werde (-;

Immer wider überholen uns Autos, die an der Mongol Rally mitmachen. Sie fahren mit dem Auto in die Mongolei und lassen das Auto dann dort. Kurz vor dem letzten Pass überholt uns ein Krankenwagen... Ob dieser in der Mongolei wohl noch brauchbar ist? Sie haben jedenfalls bereits ein Problem mit dem Stossdämpfer.

Die Steinwüste auf dieser Hochebene gefällt mir besser als Sandwüsten. Dadurch, dass man wenig Sauerstoff hat, fällt man eher in einen meditativen Zustand...

Noch ein Pass vor Murghab, dort gehen wir wieder in ein Homestay, wo wir natürlich andere Radler treffen. Auf dem Basar können wir wieder Zutaten einkaufen. Dieses mal gibt es keine Haferflocken mehr, nun müssen wir auf Milchreis umsteigen.


Danach steht der höchste Pass an, der Akbaital Pass 4655müM. Habe Respekt. Übernachten wieder kurz vor dem Pass. Meine Blase macht die Nacht kurz und den Aufstieg am nächsten Tag noch härter. Der letzte Teil ist nicht asphaltiert. Tine wartet auf mich und macht mit mir Pausen. Ich bin nicht sicher ob ich es bis oben schaffe, keine Luft. Denke, dass ich danach nie mehr Fahrrad fahre! Schlussendlich schiebe ich das Rad auf den Pass, lehne die Hilfe ab, habe es bis hier selber geschafft und schaffe auch noch die letzten Meter. Natürlich ist es ein tolles Gefühl oben anzukommen und ein Foto zu machen. Ärgere mich jedoch, dass Mitfahrer betonen, dass sie bereits zwei Stunden warten und gerne weiter würden!

Am Abend nehme ich Antibiotikum und krieche in den Schlaffsack. So sind die Schmerzen erträglicher. Lasse mir das Essen servieren, Danke! Wir übernachten am wunderschönen Kara Kul Salzsee. Am nächsten morgen fühle ich mich wieder viel besser und wir machen eine Dorfbesichtigung. Das Dorf ist ganz schlicht aber wir können nicht aufhören Fotos zu machen. Am Abend wollen wir kurz vor dem Kizil Art Pass übernachten, dieser ist die Grenze zu Kirgistan. In der Ebene angekommen finden wir leider kein Trinkwasser. Die Flüsse, die auf der Karte eingezeichnet sind, sind braun! Wir befinden uns in einem Sandsturm. Zum Kochen ziehen wir uns in einen Bunker zurück, dies wäre sonst unmöglich gewesen. Mein Innenzelt ist zu weitmaschig, der Sand kommt durch, knirsch, knirsch.

Die Fahrt zum Grenzposten bringen wir rasch hinter uns. Die Grenzbeamten knüpfen uns ein paar Zigaretten ab, sind aber sonst ganz freundlich. Ein wildes Huhn spaziert gemütlich umher, die Grenzbeamten sind gut Freund mit ihm und zwitschern ihm zu.

Noch ein- zwei Kilometer bis zum Pass. Good by schönes Tajikistan!

Oft haben wir gestaunt, dass das Fahren in der Gruppe so gut klappt. Es war toll dieses Erlebniss mit anderen zu teilen.

Fazit Tajikistan:

Der Pamir Highway und das Wakhan-Tal sind wohl das schönste aber auch das härteste, was ich auf dieser Reise erlebt habe. Wir hatten nur 21 Tage Zeit und daher nur einen Ruhetag. Dies hat die Reise etwas erschwert. Super Erlebnis, auch mit der Gruppe. Am Essen, dass einem serviert wird, merkt man wie arm das Land ist. Das Land eignet sich auch gut für Trekking.